Der durchwegs überalterte und durch den kriegsbedingten Material- und Arbeitskräftemangel bereits substantiell in Mitleidenschaft gezogene Wagenpark der Wiener Straßenbahn konnte die geforderten Beförderungsleistungen nur unter größten Anstrengungen erbringen. Insbesondere nach dem Einsetzen der Bombenangriffe auf Wien verschlechterte sich die Lage zusehends, sodass die Bemühungen nach der Zuteilung von KSW-Kriegsstraßenbahnwagen unermüdlich vorangetrieben wurden.
Das Prinzip des KSW Kriegsstraßenbahnwagens
Das Konzept der KSW entstand auf Anordnung des Reichsverkehrsministeriums und unter Federführung der Waggonfabrik Uerdingen. Es handelte sich dabei um eine stark vereinfachte Variante, des noch in Friedenszeiten entwickelten „Deutschen Einheitsstraßenbahnwagens“, die unter größter Materialeinsparung nach streng normierten Konstruktionsunterlagen und nur nach entsprechender Rohstoffzuteilung durch das Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion gefertigt werden durfte. Nach Fertigstellung und Erprobung des Prototyps im Herbst 1943 wurden die Serien-KSW-Triebwagen ab 1944 von der Waggonfabrik Fuchs in Heidelberg geliefert, während sich Uerdingen fortan der Produktion der Beiwagen widmete.
Das wagenbauliche Konzept
Der Wagenkasten mit je 3 großen Seitenfenstern, äußerst geräumigen Plattformen und durch handbetätigte Schiebetüren verschließbare Doppeleinstiege bot lediglich 12 Sitzplätze in Abteilanordnung aber dafür eine große Zahl an Stehplätzen. Bei der Gestaltung des durchgehenden ohne Innenschiebetüren ausgeführten Fahrgastraumes, der von den Plattformen über eine Stufe erreichbar war, verzichtete man auf jeglichen Komfort. Der Fahrzielanzeige und der Linienbezeichnung dienten Zielschildkästen oberhalb der Stirnfenster. Da sich keines der großen Fenster öffnen ließ, dienten der Belüftung zwei Schlitzlüfter am Wagendach und je eine kleine Lüftungsöffnung an der Stirnseite links neben dem Zielschildkasten.
Der Wagenkasten in Ganzstahlbauweise mit einer Breite von knapp 2,2 m und einer Länge von 10,4 m stützte sich über Gummielemente auf die vier Ecken des Untergestells ab. Dieses verfügte über gekröpfte Längsträger die mit Kasten- und Walzprofilträgern zu einer stabilen Schweißkonstruktion verbunden waren. In diesem fanden die beiden Achsen mit Rollenlagern und untenliegenden Blattfedern bei einem starren Achsstand von 3000 mm, sowie zwei Schienenbremsmagnete Aufnahme. Gemäß der Konzeption als Zweirichtungsfahrzeug befanden sich an beiden Plattformen Fahrerstände, die für sitzende Bedienung eingerichtet wurden und deren Frontscheiben über handbetätigte Scheibenwischer verfügten. Entsprechend der damaligen Gepflogenheit befanden sich reichseinheitliche Fahrtrichtungsanzeiger der Firma Otto A. F. Knust / Berlin an den vier Kastenecksäulen.
Die Abmessungen der Triebwagen gestatteten den Einsatz auf fast allen Straßenbahnbetrieben des damaligen Reichsgebietes. Sie besaßen allerdings keine elektrische Ausrüstung, da diese zwar einheitlich aber am jeweiligen Bestimmungsort gemäß den bei den dortigen Verkehrsunternehmen vorherrschenden Bauelementen zum Einbau kommen sollte.
Die KSW in Wien
Von Juni bis September 1944 erhielten die Wiener Verkehrsbetriebe von der Waggonfabrik Fuchs insgesamt 30 Wagen mit den Fabrikationsnummern 35 bis 64, die eine sandbraune Lackierung aufwiesen. Ebenso erfolgte die Bestellung der elektrischen Ausrüstung in Form von Vielstufen Nockenfahrschaltern der SSW-Type OR8 mit 23 Fahr- und 15 Bremsstufen, sowie leistungsstarker Fahrmotoren der Typen AEG-EM 60/600 und SSW-GBM 430. Die sich überstürzenden Kriegsereignisse des Frühjahrs 1945 verursachten jedoch nicht nur erhebliche Probleme bei der Lieferung der Motoren, sondern verhinderten letztendlich die Komplettierung und Inbetriebnahme der Fahrzeuge.
Nachdem die Wiener Straßenbahn am 29. April den am 7. April 1945 im Zuge der „Befreiung Wiens durch die Rote Armee“ eingestellten Betrieb wieder aufnahm, schritt man daran sich wieder den vorhandenen Triebwagen der Type A zu widmen. Wie bereits bei der Betriebsaufnahme der „Elektrischen“ im Jahre 1897, deren Triebwagen als Zeichen einer neuen Ära die Typenbezeichnung A erhielten, so bedeutete auch das Kriegsende mit der Ausrufung Österreichs als eigenständigem Staat am 27. April 1945 einen Neuanfang. Daher erhielten die 30 vorhandenen KSW, ob ihrer Herkunft im wiener Tramayjargon später stets als „Heidelberger“ bezeichnet, die Typenbezeichnung A. Die Komplettierung der Fahrzeuge wurde auch unter Verwendung brauchbarer Komponenten kriegszerstörter älterer Triebwagen vorangetrieben und so konnten im Frühjahr 1945 die ersten Probefahrten durchgeführt werden.
Die Ausrüstung der Wiener KSW
Die Beleuchtung erfolgte mittels Glühlampen in drei Serien und als Frontbeleuchtung fungierten Scheinwerfer mit separatem Schlusslicht. Einheitlich gestaltete sich die Ausrüstung mit Vielstufen-Nockenfahrschaltern der Type OR 8 und die Absicherung des Fahrstromkreises die durch zwei in Serie geschaltete, im Zwischendach jeweils über den Fahrerständen untergebrachte, Überstromschalter mit Freiauslösung erfolgte. Die Anfahr- und Bremswiderstände befanden sich auf dem Wagendach, wobei ein Teil der Widerstände doppelt vorhanden und zusätzlich in Nutzstromheizkörpern unter den Sitzen angeordnet war, deren Umschaltung während der kalten Jahreszeit die Beheizung des Fahrgastraumes ermöglichte. Bei den in Wagenmitte montierten Stromabnehmern zeigte sich allerdings bereits ein buntes Bild, denn neben Goldeband- und Siemens-Scherenbügeln fanden vor allem die für Wien typischen Lyrabügel Verwendung. Als Fahrmotore kamen zwei Gleichstrom-Reihenschlussmotore in Tatzlagerbauweise der Type EM 60/600 mit je 57 kW, GBM 430 mit je 59,6 kW oder WD 571 mit 45,6 kW Stundenleistung zum Einsatz, die zugleich zur generatorischen Betriebsbremsung dienten.
Die elektrische Verbindung zu mitgeführten Beiwagen konnte über je eine rechts neben dem Scheinwerfer angebrachte Brems- und unterhalb der Stirnwandfenster montierte Lichtsteckdose hergestellt werden. Als Zug- und Stoßvorrichtung kam eine Trichterkupplung zur Anwendung, deren Puffer in mittelschwerer Ausführung mit Bolzen am Wagenkastenrahmen montiert waren und auf einer Blattfeder ruhten. Die kurbelbetätigte Handbremse wirkte auf je eine Bremsscheibe an den Achsen. Zur Verbesserung der Reibungsverhältnisse zwischen Rad und Schiene kam eine, von den Fahrerständen bedienbare, Sandstreuvorrichtung zum Einsatz, deren Behälter sich unter dem Plattformboden befanden und die jeweils vor beide Räder der ersten Achse wirkte. Als absolutes Novum für Wiener Verhältnisse verfügten die Wagen über Schienenbremsen die über eine Bremsstromanspeisung verfügten und erst auf dem letzten Bremskontakt des Fahrschalters mit Frischstrom erregt wurden. Zur akustischen Signalabgabe dienten Trittglocken bzw. im Zwischendach untergebrachte Dachglocken. Auf die Serienausstattung mit einer automatischen Schutzvorrichtung, in Form der bereits seit 1908 bewährten Tastgitter-Fangkorb-Kombination bzw. hölzerne Bahnräumer wurde jedoch vorerst verzichtet. Dies traf auch auf die Lackierung in Rot-Weiß – den Stammfarben der Wiener Straßenbahn – zu und so erregten die sandbraunen Heidelberger einiges Aufsehen.
Einsatz und Entwicklung in Wien
Die Inbetriebnahme der ersten 7 Fahrzeuge vollzog sich im Herbst 1945 und der erste Einsatz im Planverkehr datiert auf den 11. November 1945 auf der Linie 58, jedoch sollten nahezu 4 Jahre vergehen bis alle 30 „Heidelberger“ tatsächlich einsatzbereit waren.
Im Laufe der Jahre ging man daran das Erscheinungsbild und die Ausrüstung zu vereinheitlichen. Dies betraf die Lackierung in rot-weißer Farbgebung, die bereits die letzten 3 im Jahre 1949 in Betrieb genommenen Wagen erhielten und die bis 1951 auch bei den übrigen Fahrzeugen zur Anwendung gelangte. Die Ausrüstung mit der bereits am Triebwagen 6 seit September 1946 eingebauten automatischen Schutzvorrichtung vollzog sich zwischen 1949 und 1951. Die Verbesserung der Liniensignalisierung, in Form der im Jahre 1949 am Triebwagen 25 erprobten Zweisichtdachsignale auf dem Wagendach, konnte 1950 abgeschlossen werden. Ebenso kam es zwischen 1948 und 1956 zum Ersatz der schwachen WD 571-Motore und zur einheitlichen Ausrüstung mit Scherenstromabnehmern der Type SS 46 und dem Einbau von Stirnwandfensterheizkörpern. Die Ausrüstung mit ELIN-Vielfachkupplungsdosen und einer Batterievorerregung für den Bremsstromkreis vollzog sich von 1954 bis 1956. Dabei wurde auch die ursprüngliche Schienenbremsschaltung geändert und die zwei Magnete mit einer Anpresskraft von je 4 t besaßen nunmehr eine von der Fahrschalterstellung unabhängige Frischstromanspeisung.
Gemäß Typenblatt von 1963 variierte die Antriebsleistung der Wagen entsprechend der eingesetzten Fahrmotoren wie folgt:
- EM 60/600: 114 kW
- EMa 60/600: 122 kW
- GDTM 1303: 117 kW
- WD 641: 120 kW
Aufgrund der geringen Stückzahl waren die A durchwegs immer nur im Betriebsbahnhof Rudolfsheim beheimatet. Eine Ausnahme bestand nur zwischen 1970 und 1972 als Speising zum Betrieb der Verstärkerlinie 59 einige Wagen erhielt. Als mittelschwere Triebwagen mit dem Gewichtsklassezeichen „Quadrat“ durften sie mit 2 Beiwagen der gleichen oder einer niedrigeren Klasse „Dreieck“ oder einem Beiwagen der nächst höheren Klasse „Sechseck“ in Verkehr gesetzt werden. Der Einsatz vollzog sich zu Anfangs in Drei- und Zweiwagenzügen vorzugsweise mit den Beiwagen der Type k1 bis k5 . Aus bremstechnischen Gründen kam es ab dem Jahre 1951 nur mehr in Ausnahmefällen zur Bildung von Dreiwagenzügen. Ab 1957 erfolgte trotz der starken Motorleistung eine generelle Beschränkung auf die Verwendung in Zweiwagenzügen, wobei letztendlich m3– und fallweise m2-Beiwagen vorherrschten. Ab 1972 beschränkte sich der Einsatz auf den Berufsverkehr der Linien 52 und 58, deren Grundauslauf bereits mit modernen Gelenktriebwagen gedeckt werden konnte. Am 17. Oktober 1975 endete der Planeinsatz nach annähernd 30 Jahren, obwohl die ursprüngliche Konzeption der KSW, aus hinlänglich bekannten Gründen, von einer Nutzungsdauer von wenigen Jahren ausging.
Der Triebwagen 2 wurde unter der Fabriksnummer 36 von der Waggonfabrik Fuchs in Heidelberg an die Wiener Verkehrsbetriebe geliefert und am 27. Juni 1944 in deren Wagenstand übernommen. Die Inbetriebnahme erfolgte am 21. März 1946 in sandbrauner Farbgebung mit Lyrabügel und WD 571-Motoren.
Im Zuge seines Daseins erfuhr er diverse Umbauten, die in den Wagenpapieren dokumentiert sind und von denen hier nur die Wichtigsten genannt seien:
Juli 1947 | Ersatz des Lyrabügels durch Goldeband-Scherenstromabnehmer |
April 1950 | Rot-weiße Lackierung, Ausrüstung mit Zweisichtdachsignalen und Stirnwandfenster Heizkörpern, Einbau der automatischen Schutzvorrichtung |
März 1951 | Ersatz der WD 571-Motore durch EMa 60/600 mit je 61 kW-Leistung |
September 1951 | Änderung der Zielschildkästen und stirnseitigen Lüftungsklappen |
Feber 1955 | Ersatz der Brems- und Lichtsteckdosen durch 10-polige ELIN-Dosen und Ausrüstung mit Batterievorerregung im Bremsstromkreis, sowie Ersatz des Goldeband-Stromabnehmers gegen SS 46-Scherenstromabnehmer |
September 1955 | Einbau von Schienenbremsschaltern für generelle Frischstromanspeisung |
Oktober 1961 | Ersatz der EMa 60/600-Motore durch WD 641 mit je 60 kW-Leistung |
Der Einsatz im planmäßigen Linienverkehr endete am 17. Oktober 1975 beim Betriebsbahnhof Rudolfsheim und mit 24. Dezember 1975 wurde die Ausmusterung aus dem Wagenpark der WStW-VB verfügt. Am 14. Jänner 1976 kam es zum Verkauf an die Interessengemeinschaft Museumstramway, wo er zur weiteren Erhaltung in einem geplanten Nahverkehrsmuseum in St. Pölten, gemeinsam mit einigen anderen Vertretern österreichischer Straßenbahngeschichte, vorgesehen war. Die Einstellung der St. Pöltner Straßenbahn am 10. Februar 1976 machte dieses Vorhaben allerdings zunichte. Er gelangte zwar nach St. Pölten, wo er auf dem Freigelände eines Industriebetriebes ungeschützt hinterstellt werden musste, jedoch in weiterer Folge zur IG-Museumstramway nach Mariazell.
Zur Bereicherung der Ausstellung des 1986 eröffneten Wiener Straßenbahnmuseums kam es zum Rücktransport nach Wien und zur weitgehenden Rekonstruktion in den Zustand des Linieneinsatzes der unmittelbaren Nachkriegszeit. In sandbrauner Lackierung und mit Lyrabügel versehen weist das Fahrzeug folgende Kenndaten auf:
Antriebsleistung | 120 kW |
Höchstgeschwindigkeit | 40 km/h |
Gesamtlänge | 11.300 mm |
Fahrzeugbreite | 2.177 mm |
Achsstand | 3.000 mm |
Eigengewicht | 10.580 kg |
Sitzplätze | 12 |
Stehplätze | 50 |
In dieser Form wurde er anlässlich des 5. Wiener Tramwaytages am 3. Juni 1989 in der Zentralwerkstätte präsentiert und kam in weiterer Folge auch bei zahlreichen Veranstaltungen auf dem Netz der Wiener Straßenbahn zum Einsatz.
Der Wunsch nach einer Attraktivitätssteigerung des Wiener Straßenbahnmuseums führte im Jahre 2012 zu intensiven Verhandlungen über einen neuen Betriebsvertrag, der von den Repräsentanten des VEF und den Wiener Linien im August 2013 unterzeichnet werden konnte. Im Fokus standen die Verkleinerung der Fahrzeugausstellung und die Belebung nach modernen museumsdidaktischen Gesichtspunkten, sowie die multifunktionelle Verwendungsmöglichkeit des Museums, das nunmehr als „Remise – Verkehrsmuseum der Wiener Linien“ firmiert. Die Zielsetzung der Wiener Linien bestand aber auch darin für die Ausstellungsobjekte eine überschaubare Anzahl an Vertragspartnern zu haben und dies betraf somit den im Eigentum der IG-Museumstramway Mariazell stehenden A-Triebwagen 2. Es lag daher nahe diesen ins Eigentum des VEF, als Vertragspartner der Wiener Linien, überzuführen was sich nach Abwicklung der finanziellen und rechtlichen Belange am 20. Mai 2014 vollzog.
Mit Bescheid des Bundesdenkmalamtes vom Jänner 2013 wurde der Wagen als technisches Denkmal unter Denkmalschutz gestellt, da er aufgrund seiner Seltenheit, Anschaulichkeit und Innovation eine besondere geschichtliche und kulturelle Bedeutung hat.
Der A-Triebwagen 2 steht als Ausstellungsstück in der Remise – Verkehrsmuseum der Wiener Linien.