Mladen Bogič
DIE SÜDBAHN IN SLOWENIEN – GESTERN, HEUTE, MORGEN
Die Südbahn in Slowenien? Kurz gesagt: sie brachte Leben auf dieses Gebiet. Sie wurde zwar als die Verbindung der Haupt- und Residenzstadt mit dem wichtigsten Hafen der Monarchie konzipiert, brachte aber unweigerlich wirtschaftlichen Aufschwung mit, auch für die Landesteile, die eigentlich nur berührt bzw. durchquert wurden. Es kann schon als ein Glück bezeichnet werden, am Verlauf einer erstklassigen, zweigleisigen Strecke gelegen zu haben, wie es die Linie Wien-Triest nun einmal war. Dies dürfte auch den Zeitgenossen klar gewesen sein, denn der Eröffnungszug wurde am 16. September 1849 in Ljubljana nicht nur mit Gejubel und Böllerschüssen empfangen, sondern auch mit aussagekräftigen großen Aufschriften an den Wänden der Terpinc'schen Papierfabrik: HANDEL, GEWERBE, LANDWIRTSCHAFT. Die Leute hatten den Zug der Zeit richtig verstanden! (Jedenfalls richtiger als die Geographie, denn nachher stand es in den Zeitungen, es wären die allerhöchsten Herrschaften mit dem Zug aus Wien eingetroffen. Richtig wäre es gewesen: mit dem Zug wären die allerhöchsten Herrschaften aus Wien eingetroffen, denn es klaffte immer noch die Lücke über den Semmering, die erst in fünf Jahren geschlossen werden konnte.)
EIN BLICK AUF DIE KARTE
Die Karte des Eisenbahnnetzes Sloweniens, auch mit abgetragenen Strecken, mit Jahresangaben der Fertigstellung, die SB-Strecken zum Unterscheiden betont gezeichnet
Die Karte des Eisenbahnnetzes im heutigen Slowenien ist vielsagend: es ist gleich ersichtlich, dass nach wie vor die wichtigsten Strecken in Slowenien von der Südbahn geprägt sind. Nimmt man die Streckenkilometer zum Vergleich, so stellt man fest, dass von den je im öffentlichen Verkehr gewesenen Strecken, insgesamt etwa 1430 Kilometer, stolze 678 Kilometer, also gut 47% im Eigentum oder im Betrieb der Südbahn waren. Betrachtet man den heutigen Stand, so sieht man, dass von den 1225 Kilometern der slowenischen Strecken ganze 646 Kilometer, also gar 53%, von der Südbahn herrühren. Carl Ghega, der geistige Vater der SB-Strecken in Slowenien (und der spätere Erbauer der Semmeringbahn) wusste Bescheid, wie die Eisenbahnlinien zu führen waren!
Das Gehirn der Südbahn mag wohl in Wien gewesen sein, der Plexus Solaris, das Nerven- und Adergeflecht, lag jedoch im heutigen Slowenien, in Marburg a.d. Drau/Maribor: dort kreuzte sich die Nord-Süd Achse (Wien-Triest) mit der Ost-West Achse (Budapest – Tirol), dort gab es die Hauptwerkstätte der SB, bereits 1863 errichtet und derart hoch qualifiziert, dass man zwar keine neuen Lokomotiven, wohl aber neue Kessel zu bauen imstande war. (Die slowenische Museumslokomotive SB 718 bekam seinerzeit den Ersatzkessel geliefert, der 1898 eben in der SB-Werkstätte in Maribor unter der Fabriknummer 147 gebaut worden war.) Mehr darüber später.
Natürlich begünstigte die Eisenbahn die heranwachsende Industrie, die, an ihr gelegen, sich mit Industriegleisen an sie anknüpfte. Außer den Fabriken und Industriebetrieben in Marburg/Maribor, Cilli/Celje und Laibach/Ljubljana soll es stellvertretend an das Eisenwerk Štore und an die Kohlenbergwerke in Hrastnik, Trbovlje/Trifail und Zagorje/Sagor im Savetal erinnert, die durch die Eisenbahn erst recht erschlossen werden konnten.
KULTURGUT EISENBAHN
Es ist noch eine besondere Dimension der Südbahn zu nennen, die über das Utilitaristiche hinaus in das Segment des Schönen hinreicht: der Hochbau. Der genial begabte Ghega, der schon mit 16 Jahren an der Universität Padua sein Diplom als »Ingenieur und Architekt« erhielt (um ein Jahr später zum Doktor der Mathematik zu werden), hegte seine Vorliebe für die Architektur sein ganzes Leben lang. So war er für die ganzen Hochbauten and der Südbahn der bestimmende Faktor, obwohl sie im Detail und Endausführung seinem Hauptmitarbeiter und Freund, dem Architekten Moritz Löhr übertragen waren. Auf dem Gebiet von heutigem Slowenien sind – außer am Semmering – einige von den schönsten Bauten an der Südbahn entstanden, so der 650 Meter lange Pösnitztaler Viadukt, die 190 Meter lange hölzerne Brücke, System Howe, über die Drau in Marburg/Maribor, die schöne steinerne Brücke über die Sann in Steinbrück/Zidani Most, die recht heikel im Bogen gebaut werden musste, eine weitere Howe'sche Brücke, 190 Meter lang, über die Save bei Littai/Litija, das anspruchsvolle Aufnahmsgebäude I. Klasse im Laibacher Bahnhof, und das mächtigste Objekt an der ganzen Trasse zwischen Wien und Triest, der Franzdorfer Viadukt, zweistöckig, 561 Meter lang, 38 Meter hoch... Die meisten von diesen Bauwerken bestehen leider nicht mehr, aus heutiger Sicht werden sie allerdings als Kulturgut höchsten Ranges erkannt. Sie wurden durch modernere Bauten ersetzt oder, wie Franzdorfer Viadukt, durch die Kriegseinwirkungen und andere schädliche Einflüsse zerstört. Von dem Prachtbau blieben nur ein Pfeiler und die beiden Widerlager bestehen... Erhalten geblieben sind nur die Brücke in Zidani Most, die noch immer ihrem Zweck dient, und das Stationsgebäude in Laibach/Ljubljana. Das letztere wurde in den Jahren 1995-96 komplett erneuert und statisch saniert. Dabei blieb die denkmalgeschützte Außenhaut erhalten, im Inneren entstand aber ein neues, starkes Gerüst aus Eisenbeton, das auch die einzelnen Etagen umschloss. Einige Elemente blieben auch im Inneren erhalten, so die Säulen und das Deckengewölbe im Aufnahmesaal. Das Neue wurde harmonisierend mit dem Alten durchgebildet, so dass seit 1996 das altehrwürdige Gebäude im neuen Glanz erscheint. Sogar der Uhrturm, das Hauptmerkmal auf dem Dach, das im Erdbeben 1895 zerstört worden war, wurde genau ein Jahrhundert später rekonstruiert.
Neue Akzente wurden in Eisenbahnarchitektur gleich nach der Jahrhundertwende gesetzt, als hierzulande die Einführung der Zentralstellwerke den Anlauf nahm. So entstanden die schönen typisierten »Weichentürme« und die kleineren, ebenerdigen Stellwerkhäuschen der Südbahn. Den Weichenturm in Cilli/Celje (von demselben Typ, den es auch in Mürzzuschlag gegeben hat) gelang es im letzten Moment vor dem Abreißen zu retten und unter Denkmalschutz zu stellen. Anlässlich der 150-Jahre-Feier der Eisenbahnen in Slowenien wurde er 1996 gründlich aufgearbeitet (Siehe das Bild) und wird heute von dem lokalen Eisenbahnfreundeklub betreut. Gleichzeitig wurde auch das kleine, recht gut erhaltene SB-Stellwerkgebäude in Steinbrück/Zidani Most denkmalgeschützt. Leider gelang es bis jetzt nicht, ein Wärterhäuschen aus der Gründerzeit zu retten. Nur mehr wenige bestehen noch, die meisten in desolatem Zustand. Sein stilisiertes Abbild wurde aber, nebst Flügelrad, zum Hauptmotiv im »Wappen« des Eisenbahnmuseums der Slowenischen Eisenbahnen. Das Bild des Weichenturms in Cilli/Celje, während der Renovierung. Man darf also den Stand des Schutzes von Eisenbahnarchitekturgut in Slowenien vorerst als befriedigend bezeichnen, wenn man auch die Arbeiterkolonie der großen Werkstättenanlage der Südbahn in Marburg/Maribor mit in Betracht zieht. |
DIE HAUPTWERKSTÄTTE
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war Marburg/Maribor weiter nichts, als ein unbedeutendes Gewerbe- und Handelstädtchen, mit breitem landwirtschaftlichem Hinterland. Als es zum Eisenbahnknotenpunkt wurde, fing es an, aufzublühen und wurde im Laufe der Zeit die erste Industriestadt Sloweniens. Allein in der Zeit von den sechziger Jahren bis vor dem 1. Weltkrieg wurde die Einwohnerzahl mehr als verdoppelt. Die SB-Hauptwerkstätte dehnte sich von Anfang an auf stolzen 84.470 m, aus und wuchs in den siebziger und achziger Jahren weiter; es wurden Holzlager, eine Säge und ein Maschinenhaus dazugebaut. In den Werkstätten fanden 250 Waggons und 46 Lokomotiven Platz - 15,3 % des gesamten Fahrparks der Südbahn.
Auch im neuen südslawischen Staat nach 1818 entwickelte sich die Werkstätte weiter – trotz den neuen, einschränkenden Gegebenheiten. Aber in ihr Gravitationsgebiet wurden jetzt Fahrzeuge aus anderen Teilen des neuen Staates einbezogen. Während des 2. Weltkrieges stark in Mitleidenschaft gezogen, wurde sie nachher wieder aufgebaut und in den 60-Jahren modernisiert. Sie wurde zum Erzeuger neuer Personenwaggons. Die Produktion wurde zusätzlich noch auf die Heiztechnik erweitert. Heutzutage ist sie zum Siemens-Werk geworden, wo neue Elektrotriebwagenzüge (z.B. vom Typ Desiro) und andere Eisenbahnfahrzeuge für Exportzwecke hergestellt werden.
Einhergehend mit der Entwicklung der Werkskapazität wuchs auch die Arbeiterzahl. Am Anfang gab es einige hundert Beschäftigte, im Jahre 1880 z.B. waren es bereits 1070. Für die steigende Arbeiterzahl musste entsprechend vorgesorgt werden und so entstand in der nächster Umgebung der SB-Hauptwerkstätte, am Kärntner Bahnhof, eine mustergültige Arbeiterkolonie. In damaligem Marburg/Maribor gab es keine entsprechend qualifizierten Arbeitskräfte, so mussten sie aus anderen Teilen der Monarchie hergeholt werden. Da es in der Stadt auch an Wohnungen mangelte, ließ die Südbahn gleich auch die Arbeiterkolonie bauen. In 1863, als die Werkstätte ihre Tätigkeit aufnahm, gab es in der Kolonie bereits 12 typisierte Häuser, zwei einstöckig und die übrigen ebenerdig, von zugehörigen Gärten umgeben. Jedes Haus beinhaltete pro Etage vier Wohnungen von vorbildlichem Komfort – für jene Zeit. Anschließend wurde 1868 die »neue Kolonie« gebaut, mit 28 einstöckigen Häusern. Es wurde auch eine Schule errichtet, ein Kindergarten, und als letztes Objekt der 'Konsum' – ein Viktualienladen, der im August 1874 in Betrieb ging.
Die Gebäude waren Eigentum der Südbahn, so wurden sie auch von der Werkstätte gewartet, sie führte z.B. alle zwei Jahre das Malen aus. Aus diesem Grunde wurden den Bewohnern keine Veränderungen erlaubt, weder in den Wohnungen noch in den Gärten.
Das Recht auf die Wohnungszuteilung genossen nur die Beschäftigten der Werkstätte. Ließ einer den Job, oder er wurde pensioniert, so musste er innerhalb von drei Monaten ausziehen. Da sämtliche Bewohner an die Arbeit in der Werkstätte gebunden waren und in der Siedlung die ganze zum Leben notwendige Infrastruktur existierte, entwickelte sich mit der Zeit ein starkes Zugehörigkeitsgefühl, das erst nach 1952 langsam nachließ.
Diese besonderen Dimensionen führten dazu, dass die Eisenbahn-Arbeiterkolonie in Marburg/Maribor als Kulturgut erkannt und die Altkolonie in 1982 unter Denkmalschutz gestellt wurde.
ZUR GESCHICHTLICHEN ENTWICKLUNG DER ORGANISATIONSFORM
Es gibt auf der Welt eben nichts Neues: man fing an in Wien, die Linie nach Triest in privater Hand zu bauen (bis Gloggnitz, Bankhaus Sina), dann entschloss man sich, in staatlicher Regie weiter vorzudringen (strategisch und nationalökonomisch so wichtige Linien dürfen ja nicht privaten Interessen preisgegeben sein), und kaum war die südliche Staatsbahn fertig, ein Jahr nach der Vollendung in 1857, wurde sie schon wieder privatisiert, da der Staat eben durch den Eisenbahnbau in so schlimme wirtschaftliche Not geraten, dass es ihm unmöglich war, weiter mitzumachen. Und dies war das Los sämtlicher Eisenbahnen in Alt-Österreich. Aber, siehe da, die kleinen Privatbahnen waren nachher auch nicht imstande, mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten fertig zu werden, also musste wieder der Staat her zur Hilfe. Es hätte wenig Sinn gehabt, den lebensunfähigen Eisenbahngesellschaften ständig finanziell unter die Arme zu greifen; es war schon besser, sie selbst in Besitz zu nehmen. Dieser Schicksal traf zuallererst die Kronprinz Rudolf-Bahn, die 1880 sequestriert und 1884 verstaatlicht wurde. In demselben Jahr wurden die neuen, kaiserlich königlichen Staatsbahnen ins Leben gerufen, in denen anschließend die meisten kleineren Bahnen aufgingen, bis auf die Südbahn, die zäh bis über den ersten Weltkrieg hinaus ausharrte. Dann, durch das Entstehen der Nachfolgestaaten zergliedert, musste auch sie klein beigeben und löste sich Anfang 1924 auf. Im neuen Staat der Serben, Kroaten und Slowenen wurden sämtliche Eisenbahnlinien, von recht unterschiedlicher Herkunft (SB, kkStB, MAV, SDŽ...,) zu den Staatsbahnen SHS-CXC vereinigt. Mit der Umbenennung des Staates wurden sie 1929 zu den Jugoslawischen Staatseisenbahnen (JDŽ). Dies dauerte mit Unterbrechung für die Zeit des 2. Weltkrieges bis 1951-54, als die Arbeiterselbstverwaltung eingeführt wurde und auch die Eisenbahnen zu einem Unternehmen umorganisiert und folglich zu Jugoslawischen Eisenbahnen (JŽ) umbenannt wurden. Waren die JŽ doch weitestgehend unter der Kontrolle des Staates, wurden die Eisenbahnen in Slowenien nach der Verselbständigung 1991 zu einer Aktiengesellschaft (die Mehrheit der Aktien war im Staatsbesitz), die in Oktober 2003 zu einem Holding transformiert wurde. Dabei bleibt die Infrastruktur im Besitz des Staates, Güterverkehr und Personenverkehr dürfen bis zu 49 Prozent privatisiert werden. Der Betrachter kann nicht anders, als dieses ganze Reigen mit leichter ironischer Distanz zu beobachten: von Privatem zu Staatlichem, von Staatlichem zu Privatem, und wieder von vorne... Entscheidende Vorteile mag dieser Werdegang wohl nicht gebracht haben, aber man will eben immer wieder das Bessere anderswo sehen, nur nicht dort, wo man sich augenblicklich befindet. Es irrt der Mensch, solang er strebt...
DIE LOKOMOTIVE
Es hat wenig Sinn, an dieser Stelle auf die Geschichte der Fahrbetriebsmittel der Südbahn einzugehen. Es gibt genügend einschlägige Fachliteratur. Eines Lokomotiv-Typs muss aber gedacht werden, nimmt er doch in der slowenischen Eisenbahngeschichte eine ganz besondere Stelle ein. Es ist dies die berühmte Serie 109, die eigens für die slowenischen Strecken der Südbahn entworfen wurde, im Unterschied zu übrigen alt-österreichischen Lokomotiven, die mehr oder weniger über die ganze österreichische Hälfte der Monarchie verbreitet waren. Sie kamen natürlich auch nach Krain bzw. Untersteiermark, bürgerten sich ein, leisteten treue Dienste und passten sich lokalen Verhältnissen an. Sie waren aber in Slowenien eben nicht landeseigen und somit von keiner dezidierten Bedeutung. Ganz anders die 109er! Nachdem ihre Vorgängerin, die Serie 32f, nach der Jahrhundertwende nicht mehr der Aufgabe gewachsen war, immer schwerer werdende Schnellzüge von Laibach/Ljubljana nach Triest zu befördern, setzte man sich in Wien nieder und konstruierte. Es taten sich führende Experten der neueren Generation zusammen: Vater und Sohn Prossy und Hans Steffan. Man möchte dazu den Rousseau'schen Spruch zum »Zurück zur Einfachheit« paraphrasieren: im Unterschied zum führenden österreichischen Konstrukteur Karl Gölsdorf, dessen Lokomotiven an große Uhrwerke erinnerten, sofistiziert bis geht nicht mehr, folglich aufwendig im Betrieb und teuer zu warten, wurde die Karstlokomotive einfach durchgebildet, mit der Idee, durch die kleineren Unterhaltungskosten die etwas schlechtere Wasser- und Brennstoff-Ökonomie aufzuwiegen. Und es entstand in 1910 eine Lokomotive, die ihresgleichen suchte. Schon rein äußerlich wirkte sie begeisternd: die Zeitgenossen bewunderten ihre schlichte und elegante Formgebung, ihre stolz aufgerichtete Gestalt, ihre »utilitaristische Strenge«, ihre »herbe Schönheit«. Mit ihrem 3 Meter hoch über die Schienenoberkante gesetzten Kessel und 100 Tonnen Dienstgewicht war sie eine überwältigende Erscheinung.
Wichtiger als die Schönheit ist natürlich die Leistungsfähigkeit. Es kursierte unter den Lokomotivkonstrukteuren der Spruch, man könne eine Dampflokomotive nicht restlos durchrechnen. Es sei sehr viel von dem Instinkt des Konstrukteurs, von seiner glücklichen Hand abhängig. Man wisse nicht, was entstanden sei, solange man die Maschine nicht getestet habe. Also gingen die ersten sechs 109er auf Proben! Die Maschinen wurden für eine Leistungsabgabe von ungefähr 1000 PS konstruiert. Als dann die 109.05 auf der Strecke von Aurisina/Nabrezina nach St.Peter in Krain /Pivka mit einem 320 Tonnen schweren Zug den Berg hinaufdonnerte, leistete sie mehr als 1500 PS – also mehr als das 1,5-fache! Schier unerhört! Dieses Resultat ermittelte übrigens Dr. Rudolf Sanzin, Professor an der Wiener Technischen Hochschule, der die Testfahrten persönlich mitmachte und die Ergebnisse (das erste Mal in der Lokomotivgeschichte) mathematisch auswertete.
Dessen nicht genug! Da die Karststrecke viele scharfe Kurven und steile Neigungen aufweist, wurde die Höchstgeschwindigkeit etwas konservativ auf 90 Stundenkilometer gesetzt. (Einige Maschinen wurden später für 100 km/h zugelassen.) Aber dann wollte man eben sehen, wie schnell sie wirklich laufen kann. Man wählte einen geraden Streckenabschnitt und lies die Zügeln los:
»Lauf', 109, lauf'!«
Und sie lief! Sie erreichte fast 130 Stundenkilometer. Man bedenke: im Jahre 1910, zwei Jahre vor dem Titanic-Untergang, in grauem Mittelalter sozusagen, lief ein 100 Tonnen schweres metallenes Monster mit 130 Sachen. Es gab damals nichts Vergleichbares! Selbst heute, im dritten Jahrtausend, ist dies das Tempolimit auf den Autobahnen, sowohl in Österreich als auch in Slowenien. Vergisst sich einer, wird er von der Verkehrspolizei erbarmungslos zur Kassa gebeten... Die wunderbare Maschine schaffte es aber schon anno dazumal...
Da sich die neue Serie als ein so guter Wurf zeigte, verbreitete sie sich auch auf andere Strecken der Südbahn. Es wurden welche auch in Budapest gebaut, für den ungarischen Netz der SB. (Insgesamt wurden 57 Stück erzeugt.) Nach dem Zerfall der Monarchie verblieben im neuen südslawischen Staat 13 Loks. Später gesellten sich ihnen noch zwei aus Ungarn zu. Sie blieben ihren ursprünglichen Strecken treu. Es dürfte daher keinen wundernehmen, dass eine aus dem Bunde, die 109.38 (die 1933 zur JDZ 03-002 umbenannt wurde) schon 1968 als erste Lokomotive für das künftige slowenische Eisenbahnmuseum auserwählt wurde. Sie gehört in die absolute Spitzenkategorie der Museumsfahrzeuge in Slowenien und wurde von 1987 bis 1996 für die Dampfsonderfahrten im betriebsfähigen Zustand unterhalten. Es existieren heute noch zwei weitere: die betriebsfähige ungarische 109.109 und die österreichische 109.13, die in Kürze mit einem neuen Kessel versehen und damit wieder auf den Trab gebracht werden dürfte. Es gab eine Zeit , als alle drei historischen Fahrzeuge betriebsfähig waren. Sie trafen zweimal zusammen, das erste Mal 1994 in Strasshof, und das letzte Mal 1996 in Cilli/Celje, anlässlich der 150-Jahre Feier der Eisenbahnen in Slowenien. Die drei Schwestern taten sich auf ein und dasselbe Gleis zusammen und schwätzten spät in die Nacht hinein...
Verweile doch, du bist so schön!
– Wohl das schönste Bild der schönsten Lokomotive ihrer Zeit (Archiv Slezak)
DIE SCHATTENSEITEN
Neben des belebenden Einflusses, den die Eisenbahn auf die berührten Landesteile ausübte, gab es bei der Südbahn auch Schattenseiten. Die private Gesellschaft sah sich genötigt, durch »geeignete« Tarifpolitik die Konkurrenzeisenbahnen auszuschalten, um die Fracht auch aus fernen Landen für Triest zu gewinnen. So gewährte sie den entfernten Produzenten dermaßen verbilligte Tarife, dass man in Krain für kürzere Beförderungsstrecke mehr zahlen musste, als die entlegenen Begünstigten. Es sei stellvertretend nur ein Beispiel angeführt: eine Wagenladung Schnittholz von 10 Tonnen kostete von Laibach/Ljubljana nach Triest 48 Gulden, von Zagreb/Agram nach Triest (also zweimal so weit) nur 47 Gulden 90 Kreuzer. Die eher schlecht bemittelten Unterkrainer mussten sich gefallen lassen, für dieselbe Ladung von Videm-Krško/Videm-Gurkfeld nach Triest 60 Gulden zu zahlen und von dem Triest nähergelegenen Sevnica/Lichtenwald gar 70 Gulden. Paradoxal lohnte es sich, das Frachtgut erst einmal nach Zagreb/Agram befördern zu lassen um von dort in Richtung Triest dieselbe Strecke das zweite Mal zu befahren. Dieses Deprivilegiertsein konnte die slowenische Wirtschaft auf die Dauer nicht verkraften. Die private, aufgrund der erteilten Privilegien tarif- und verkehrspolitisch souveräne, für die Suggestionen der Regierung unzugängliche Südbahn hatte es eben nicht nötig, Rücksicht auch auf die hiesigen Transportbenützer zu nehmen. Manche Betriebe gingen daran zugrunde. Natürlich gab es gegen solch diskriminierende Tarifpolitik allerlei Proteste, auch auf sehr hohen Ebenen, es hat aber alles nichts genützt. Diese Eigenmächtigkeit der Südbahn führte schließlich dazu, dass 1906 »die zweite Eisenbahnverbindung mit Triest« verwirklicht wurde, die vom Staat gebaute Wocheiner Bahn. Und die kkStB-Tarife waren bedeutend niedriger als die der SB. Anekdotisch sei dabei erwähnt, dass die private Gesellschaft besser für Ihre Beschäftigten zu sorgen schien, als die Staatsbahnen. Wie überliefert, neckten die SB-Eisenbahner vom Laibacher Südbahnhof ihre kkStB-Kollegen vom Staatsbahnhof Ljubljana-Šiška:
»Ihr habt die Krone an der Mütze, und wir – in der Tasche!«
DER BLICK IN DIE ZUKUNFT
Slowenien kann sich glücklich zählen, dass es sich auf der Drehscheibe internationaler Verkehrsrichtungen befindet. Zwei von den wichtigen paneuropäischen Korridoren kreuzen sich hier: der fünfte Korridor, der die Eisenbahnen und die Straßen der iberischen Halbinsel über Südfrankreich, Norditalien, Slowenien und Ungarn mit den ukrainischen zusammenknüpfen will, und der zehnte, der die Verkehrsadern von Mitteleuropa über Slowenien, Kroatien und Serbien weiter gegen die Türkei zu führt. Da europawichtig, werden sie von der EU auch gefördert und mitfinanziert. Ein kurzer Blick auf die Landkarte besagt, dass sich alle beide in Slowenien weitgehend der Trassenführung der Südbahn bedienen.
Der fünfte (Eisenbahn-) Korridor schließt sich der ehemaligen Südbahn schon vor der italienischen Grenze an und folgt ihr 290 Kilometer weit über Sezana, Adelsberg/Postojna, Laibach/Ljubljana, Steinbrück/Zidani Most, Cilli/Celje, Pragerhof/Pragersko, Pettau/Ptuj bis Ormož/Friedau, wo er die Südbahn verlässt und nach links abbiegt, um nach den letzten 72 Kilometern über Murska Sobota Hodos und damit die ungarische Grenze zu erreichen.
Der zehnte (Eisenbahn-)Korridor tritt auf slowenisches Gebiet aus Österreich durch den Karawankentunnel ein und verläuft 71 Kilometer auf der ehemaligen Kronprinz Rudolf-Bahn bis Laibach/Ljubljana, um von dort auf weiteren 115 Kilometern schon wieder der Südbahn zu folgen, bis Steinbrück/Zidani Most auf der Stammtrasse und von dort bis Dobova an der kroatischen Grenze auf ihrem Agramer/Zagreber Ast. Ein zweiter Ast des Korridors reicht – schon wieder der Stammstrecke der Südbahn folgend – von Steinbrück/Zidani Most über Cilli/Celje und Marburg/Maribor nach Österreich .
Man muss die Weitsicht der Südbahn-Erbauer ungewollt bestaunen: nach anderthalb Jahrhunderten behauptet sich ihre Trassenführung immer noch als Hauptverkehrsträger im slowenischen Verkehrssystem, sie ist daraus nicht wegzudenken! Das System steht und fällt mit ihr!
Es wurden in letzter Zeit ernstliche Stimmen laut, dass auf dem fünften Korridor auch die Schnellstrecke, geeignet für Züge vom Typ ICE bzw. TGV, zu errichten sei. Dies jedoch, fürchtet der Autor dieser Zeilen, kann zeit seines Lebens kaum verwirklicht werden. So bleibt ihm nichts Anderes übrig, als gemeinsam mit dem Dichter herb-süß zu seufzen:
»Im Vorgefühl von solchem hohen Glück genieß' ich jetzt den höchsten Augenblick...«
LJ – TS 144,9 km
SB : SŽ = 3133 km : 1229 km = 2,55 : 1
Trassierung: 1845 – 1850; 1850 Bau angefangen
Laibacher Moor: 690 000 m3 Schüttgut für den Damm – Bau bis 1856!
Franzdorfer Viadukt:
561 m x 38 m; 25/22 Bögen; 64 000 m3 Steinquader,
5 Mio Backsteine
(Kalte Rinne: 182 m x 46
m; 10/ 5 Bögen = 1/3 der Länge, um fast Ľ höher) (8372)
Hischtaler Viadukt: 230 m x 29 m, noch heute!
Aurisinaer Viadukt: 645 m x 19 m (Aurisinaer Marmor, einstöckig) (12255)
Barcola Viadukt: 320 m x 19 m, 42 Bögen
Lazarett Viadukt: 182 m x 7 m, überdacht wegen Quarantäne-Spitals
LJ – TS Σ 14 Viadukte.
Karst: Wassermangel, Bora: Windschutzmauern angefertigt, auch gegen Schneeverwehungen!
Vréme: 6 Tunnel, Gesamtlänge 2424 m
Höhepunkt: 2,3 km hinter Postojna / Adelsberg in Richtung Triest: 603 Meter über See
TS Bahnhof teilweise aufgeschüttet: 554 000 m3 Schüttgut, 10 m hoch (Q-Spital!); alle Gebäude auf Holzpfählen
Wasserversorgung in TS: zufällig gefundene Trinkwasserquelle; Pumphaus errichtet, versorgt auch Aurisina, 175 m hoch
20. Nov 1856 FJI. LJ – PO (Adelsberger Grotte)
27. Juli 1857 feierliche Eröffnung in Anwesenheit seiner Majestät des Kaisers FJII., Tag darauf öffentlicher Verkehr, am Anfang größtenteils nur 1 Gleis verlegt worden
1. August 1857 erster Schnellzug W – TS (1. Schnellzug in der Monarchie), 2 Paare / Woche – TS – W 22h 45’ W – TS 23h 30’
1878 14h 51’ 1900 12h 35’ 1914 10 h 35’
Güterverkehr erst am 15 Oktober 1857
Die Lokomotiven am Anfang m. Holz befeuert, nur Schnellzugkoks mit Koks aus England: teuer!
Erst ab 1865 Kohle verfeuert, teilweise auch aus England importiert.
ANSICHTKARTEN Von Eisenbahnmuseum Ljubljana
SZ 03-002 ex SB 109.38 ex DRB 38.4119 | ||
SB 718 ex JDZ 124-004 | ||
kkStB 73.372 ex JDZ 133-005 | ||
SZ 33-037 ex DRB 52 | ||
SZ 03-002 ex SB 109.38 ex DRB 38.4119 | ||
SB 718 ex JDZ 124-004 | ||
kkStB 73.372 ex JDZ 133-005 | ||
SZ 17-006 ex MÁV 324,164 |